Übersetzungsstrategien
Vom schematischen Denken zum Automatismus
Vorab: Es ist unbestritten, dass sich professionelle Übersetzer keine Gedanken mehr an die Herangehensweise bei einem Übersetzungsauftrag machen. Die Übersetzungsstrategien sind bei ihnen schon so tief in Fleisch und Blut verankert, dass daraus ein Automatismus erwachsen ist. Man könnte schlicht auch einfach von Erfahrung sprechen. Doch selbst diese Erfahrung muss gewonnen werden. Während der Ausbildung, besonders an (Fach-)Hochschulen, wird daher viel Wert auf die Vergegenwärtigung der gewählten Übersetzungsstrategien gelegt. Diese sind vielzählig, umfangreich und verlassen das Bewusstsein des Übersetzers mit zunehmender Berufserfahrung. Dieser Blogbeitrag versucht daher, dem interessierten Leser – seien Sie nun Übersetzer oder Kunde – noch einmal die einzelnen Abschnitte der Übersetzungsstrategien aufzuzeigen. Der allumgreifende Fokus liegt dabei auf dem sog. funktionskonstanten Übersetzen, einer Übersetzungsschule, deren Ziel kurzum die Aufrechterhaltung der Textfunktion im Ausgangs- und Zieltext ist.
- Übersetzungsrelevante Textanalyse
Hierzu zählt die Analyse von Titel und Erscheinungsbild, Texttyp und -sorte, des Inhalts und der weiteren Metadaten wie Intention, Ort, Zeit, Situation. - Übersetzungsrelevante Satzanalyse
In diesem Schritt werden die einzelnen Satzglieder betrachtet und die Bezüge des Sachverhaltes geklärt. - Benennen von Übersetzungsproblemen
An dieser Stelle werden Fachterminologie, Wortschatz, Syntax und der kulturelle Kontext analysiert. - Festlegen der Hilfsmittel
Hier gilt es zu entscheiden, welche Wörterbücher, Ressourcen, Paralleltexte und Experten konsultiert werden sollen. Unter diesen Punkt fällt auch die Recherche zu dem zu bearbeitenden Thema. - Festlegen des Übersetzungsauftrages
Für einen professionellen Übersetzer wird dieser Punkt von vornherein klar sein. Jedoch gilt die gesamte Arbeit über hinweg, nie das Ziel aus den Augen zu verlieren. Grob gesagt: Was möchte der Kunde eigentlich? - Festlegung der Übersetzungsstrategien
Der Übersetzer muss auf globaler, Makro- und Mikroebene festlegen, welche Strategien er anwenden wird. Hierzu zählt die Entscheidung zugunsten von Funktionskonstanz oder -varianz, von Implizität oder Explizität und der einzelnen, kleineren Schwierigkeiten bei der Übersetzung. - Übersetzen
Erst der siebte Punkt schneidet den eigentlichen Übersetzungsprozess an. An dieser Stelle ruft sich der Übersetzer meist auch noch einmal die zu benötigende Zeit vor Augen, schließlich gilt eine fristgerechte Ablieferung heutzutage mehr denn je als Qualitätsmerkmal. Ein weiterer Grund, weshalb diese doch sehr schematische Vorgehensweise der Übersetzungsstrategie bei erfahrenen Übersetzern in den Hintergrund rückt, ist die Arbeit mit CAT-Tools. Die Möglichkeiten, die mit diesen Hilfsmitteln zur Verfügung stehen, sind durch keine noch so detailliert geplante Herangehensweise aufzuwiegen. - Korrekturlesen und Lektorieren
Ab dieser Stelle liegt die Arbeit nicht mehr in den Händen des Übersetzers. Die Übersetzungsstrategie sieht auch das Korrekturlesen und das Lektorieren vor. Konsequenterweise werden diese Tätigkeiten nicht vom Übersetzer selbst durchgeführt. Zu beachten sind dabei inhaltliche, orthographische, syntaktische, terminologische, stilistische, kulturelle und sortenspezifische Aspekte. - Kommentar
Als Qualitätsstandard geben viele Übersetzungsagenturen ihren Übersetzern regelmäßige Rückmeldung (u.A. in Form von Noten) für die abgegebenen Übersetzungsaufträge. Dadurch wird der Übersetzungsprozess zu einem kontinuierlichen Kreislauf, der auch darauf ausgerichtet ist, die Qualität und das Risiko der Übersetzung stetig zu minimieren. Ab und an fließen auch Kommentare von Kunden mit in die Bewertung ein.
Auch von Interesse:
• Hauseigener Blogeintrag zum Thema Fertigkeiten und Kompetenzen
• Thread im Forum von „Proz“ zum Thema „Translation Related Strategies“
• Blogbeitrag von „Sprachbaendiger“ zu einer gelungen Übersetzung in sechs Punkten